Vom Ursprung des Namens Bärnhäuter

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen

Die so den Ursprung des teutschgegebenen Schandnamens Bärnhäuter per Etymologiam ausecken wollen, haben vermeint, daß vor alten Zeiten, da die alten Teutschen noch auf allerhand Häuten geschlafen, diejenigen zum Spott mit diesem Namen genannt worden, die immerhin aus Faulheit auf ihrer Bärnhaut liegen blieben, und nie nichts Tapfers auszurichten begehrt. Es mag sein, mir gedenkt so weit hinaus nicht, daß ich Nachricht davon geben könnte. Aber auf dem Schloß Hohenrot hat sich ein uraltes Gemäld gefunden, davon auch beigefügtes Bildnis kopiert worden, mit nachfolgendem Bericht, woraus dieser Name entsprungen.

Im Jahr 1396, als Sigismundus, damaliger ungarischer König, von dem türkischen Kaiser Celapino geschlagen worden, ist ein deutscher Landsknecht aus der Schlacht in einen Wald entronnen und darin verirret. Weil er nun noch dazu keinen Herren, keinen Krieg, kein Geld uand auch kein Hantierung oder sonst einig Mittel wußte, sich inskünftig zu ernähren, hatte er allerhand schwermütige Gedanken. Da erschien ihm ohngefähr und ehe er sichs versah ein abscheuliches Gespenst oder Geist, weiß nicht, obs der böse Feind selber gewesen oder nicht, und sagte, wenn er ihm dienen wollte, so wollte er ihm Gelds genug geben, und ihn endlich gar zu einem Herrn machen.

"O ja!" antwortet' der Landsknecht, "aber mit dem Geding, daß mir solche Dienste an meiner Seligkeit nicht schädlich seien."

"Ich muß aber auch zuvor sehen", sagte der Geist, "was du kannst und was du für eine Courage habest, damit ich mein Geld nicht umsonst ausgebe."

Indem er solches redet', kam ein großer Bär dahergelaufen. "Diesen", sagte der Geist, "schieße vor den Kopf."

Der Landsknecht war nicht unbehend, sondern traf den Bären auf die Nase, daß er über und über purzelte.

Da solches geschehen war, fing das Gespenst oder der Geist an, mit ihm zu kapitulieren, und sagte: "Wenn du mir dienen willst, so mußt du mir sieben Jahr zu dienen versprechen, und in denselbigen alle Nacht eine Stund Schildwacht um Mitternacht stehen; deine Haar und Bart weder kämpeln, noch selbige wie auch die Nägel nicht abschneiden, die Nase nicht schneuzen, deine Händ und das Angesicht nicht waschen, den Hintern nicht wischen, diese Bärnhaut anstatt deines Mantels und Bettes brauchen, und niemals kein Vaterunser beten. Hingegen will ich dich mit Kommiß, Bier, Tabak und Branntewein versehen, daß du kein Mangel haben sollst, und nach den sieben Jahren einen solchen Kerl aus dir machen, daß du dich über dich selbst verwundern wirst müssen."

Der Landsknecht ging alles ein und sagte zum Geist: "Alles, was du mir zu unterlassen geboten hast, habe ich von Natur mein Tage niemals gern getan: Ich wasch mich nicht gern, ich bete nicht gern, &c."

Nach geschlossenem Akkord begehrte der Geist seinen Namen zu wissen, um ihn in seine Roll, die er bei sich hatt, zu schreiben. Als er aber eines Heiligen Namen nannte, sprach der Geist: "Dieser taugt mir nicht; du sollst Bärnhäuter heißen wegen der Bärnhaut, damit du heut begabt bist worden."

Darauf zog er dem Bärn die Haut ab und machte seinem Neugeworbenen einen Mantel daraus, und führt' ihn mitsamt derselben Haut und aller seiner übrigen Bagage durch die Wolken auf sein Lusthaus dahin, welches öde Schloß von dieser wunderbaren Fahrt seinen Namen bekommen haben soll.

Daselbst versah der Landsknecht seine siebenjährigen Dienste und wurde in solcher Zeit von Haut, Haar, Bart und Nägeln ein solcher abscheulicher Unflat, daß er dem Geist selbst ähnlicher sah als einem vernünftigen Menschen, der nach Gottes herrlichem Ebenbild erschaffen worden, sonderlich wenn er anstatt eines ehrbarn Mantels seine liebliche Bärnhaut um sich hatte. Denn seine Haar wurden lauter Höllenzöpf, die ihm um die Achseln herum hingen wie indianische Schafschwänze; sein Bart war s. h. von Rotz, Geifer und andrer Unlust ineinandergepicht wie ein grober Filzhut; seine Nägel hatten eine Gestalt wie Adlersklauen, und sein Angesicht lag so voller mistigem Unflat, daß man dem gemeinen Sprichwort nach gar wohl hätte Rübsamen hineinsäen können.

Nachdem er aber die sieben Jahr beinah überstanden hatte, kam der Geist von sich selbst und deutet' ihm an, daß es nunmehr Zeit wär, einmal mit ihm abzurechnen, und ihn der Gebühr nach auszuzahlen. Doch steckte er ihm zuvor seine Hosensäcke voller Dukaten und Pistolen und befahl ihm, sich lustig zu machen und kein Geld zu sparen, sondern zu tun und zu lassen, was seinem Herzen beliebte und dem Geld wehe tät; aber dergestalt, daß er aus den Schranken des getroffenen Akkords und seiner bisherigen Gewohnheit nicht schreiten sollte, weil seine sieben Jahr noch nicht vollkommlich verflossen waren, in denen sie sich zusammen verbunden. Der Landsknecht gehorsamte. Da ihn aber wegen seiner greulichen Abscheulichkeit niemand aufnehmen wollte, wurde er traurig. Nachdem er aber auch von einem Wirt, deren Profession ist, dem Fremden um die Gebühr Kost und Herberg mitzuteilen, abgewiesen wurde, zeigte er ihm aus dem einen Hosensack eine Handvoll Dukaten und aus dem andern eine Handvoll Dublonen und wurde darauf dessen willkommener Gast.

Der Wirt logierte ihn in ein besonder Zimmer, in welchem er ihn auch absonderlich traktierte, damit andere Gäste ob seiner häßlichen Gestalt kein Abscheuens haben, noch ihm seinetwegen die Herberg in kein bös Geschrei bringen sollten. In demselben mästete sich der Bärnhäuter von des Geistes Gelde aus, bis der Geist einen edlen Herren vom Lande auf der Reis begriffen zu sein wußte, der in selbiger Herberg einkehren würde. Da kam er bei Nacht und malete in selbigem Zimmer alle Contrafet nach dem Leben der berühmtesten Personen, so seit Erschaffung der Welt gelebt hatten, als des Kains, Lamechs, Nimrods, Nini, Zoroastris, der Helenae, der trojanischen und griechischen Fürsten, nicht weniger Sesostris, Nabuchodonosoris, Cyri, Alexandri Magni, Julii Caesaris, Neronis, Caligulae, des Mahomets, &c.; ja sogar auch deren Bildnis, so noch in die Welt kommen sollen, als der Widerchristen und anderer, &c., worüber sich der Wirt nicht unbillig verwunderte, vornehmlich als der Bärnhäuter ausgab, er hätte diese Gemälde selbst verfertigt.

Als nun angeregter edle Herr gegen Abend seine Herberg dort nahm und seinen Wirt, der ihm bekannt war, fragte: "Was Neus?" erzählte er ihm alles, was er von seinem seltsamen Gast wußte und nicht wußte, als seinen wunderlichen Aufzug, seine große Kunst in der Malerei, und daß er Gelds vollauf hätte.

Der Herr antwortet': "Ich muß dies ohngewöhnlich Wunder morgen auch sehen, sonst werde ich Euch, was Ihr mir gesagt, schwerlich glauben."

Wie er des Morgens frühe selber sah, was er gehöret hatte, befand sich zwischen ihm und dem Wirt kein anderer Unterschied, als daß er die Kunst der Malerei besser als jener verstand, und sich dannenher auch beides über die kunstreiche Hand und die Arbeit selbst mehrers wunderte, denn ihre Perfektion war ohnvergleichlich, und indem er sah, daß sich viel Contrafet mit den künstlichen Antiquitäten verglichen, die er allbereits anderwärtlich gesehen, glaubt' er, daß die übrigen auch denjenigen gleichsahen, deren Bildnis sie repräsentieren, und die er bisher noch nicht gesehen. Er fragte den Bärnhäuter, ob er solche Arbeit gemacht hätte?

Derselbe aber fragte hinwiederum: "Wer sonst?"

Der Herr sagte hierauf: "So mußt du viel wissen, wenn du auch die Gestalten der künftigen Menschen zu entwerfen weißt!"

"Allzeit!" antwortet' der Bärnhäuter, "weiß ich mehr weder mancher vermeint."

Der Herr fragte: "Wer bist du?"

Jener antwortet': "Ich bin der Oberst Bärnhäuter, ein Soldat von Fortun, und hab mich neulich im Krieg wider den Türken brauchen lassen."

Weil nun dieses ein neuer und noch kein schändlicher Namen war, fragte ihm der Herr auch nicht weiter nach, sondern sagte: "Ich hab drei Töchter von gleicher schöner Gestalt, welche auch ihre Mutter ihre Ähnlichkeit wegen oft selbst voreinander nicht kennet; ich will dich solche sehen lassen; wirst du nun wissen, welches die älteste, die mittler und die jüngste sei, so will ich dir eine davon zum Weib geben, welche du unter ihnen haben willst, wo nicht, so sollst du samt deinem Vermögen mir zum Eigentum verfallen sein."

Da der Bärnhäuter dessen zufrieden, nahm ihn der edle Herr mit heim, ihn seine Töchter zu solchem Ende sehen zu lassen.

Der Geist aber erschien ihm wieder und sagte zum Bärnhäuter: "Wisse, dieser Herr pflegt auf solche Fäll die Jüngste in die Mitte und die Älteste auf der linken, die Mittlere aber auf ihre rechte Seite zu stellen."

Als er nun auf solchen Unterricht sagen konnte, welches die erst, die ander und dritte war, zumal die Jüngste zum Weib begehrt', schwor der Herr alsobald, er wollte seine Paroln halten, wie es einem ehrlichen Kavalier gebühre. Gott geb, was die Mutter dazu sagte, und wie sich sein Kind dazu bequemte. Er wollte auch die Hochzeit gleich vor sich gehen lassen, ehe ein ander Gewirr dreinkäme; aber der Bärnhäuter wollte nicht, sondern wendet' andere Geschäfte vor, doch mit Verpsprechen, bald wiederzukommen; und da er einen kostbaren Ring, der hierzu gemacht war, voneinander geschraubt und ein Teil davon seiner Braut gegeben hatte, ging er seines Wegs.

Die Jungfrau Hochzeiterin aber kleidet' sich vor Traurigkeit schwarz, und wünschte vergeblich, lieber allein zu leben als sich mit dem abscheulichen Bärnhäuter zu verehlichen. Aber was halfs? Ihr Herr Vater wollts also haben. Ihre Schwestern gönneten ihr diese Heirat; sie vexierten sie täglich mit ihrem schönen Hochzeiter und erneuerten damit stündlich und täglich die Wunden ihres ohnedas traurigen Herzens, welches sie doch alles mit Geduld überwand.

Der Geist kam hingegen wieder und führte den Bärnhäuter in den Rhein ins Bad; er richtet' ihm seine Haar und beschor selbige samt dem garstigen Bart auf die neue Mode, und zieret' ihn dergestalt auf durch besondern Anstrich, daß er dem schönsten Kavalier verglich.

"Jetzt gehe hin nach N. (sagte er zu ihm) und montiere dich wie ein rechter ehrlicher Obrister und lebe wie ein Herr. Ich will meine Schätze auftun, die ich hierum vergraben habe, und dir Gelds genug hierzu geben."

Weil nun dem Bärnhäuter kein erwünschterer Befehl hätt kommen können, war er desto gehorsamer. Er hielt sich mit schönen Pferden, herrlichen Kutschen, köstlichen Kleidern und vielen Dienern Livree wie ein Großwesir, und da es dem Geist Zeit sein deuchte, stellte er sich wieder ein und sagte zu ihm: "Jetzt fahr hin und vollführe deine Heirat!" und damit er desto reicher erscheinen konnte, füllete er ihm beide Kutschenkisten voller Geld, welches er ihm beides zur Beschuldigung und zum Heiratgut mitgab.

Also machte er sich auf die Reis und schickte einen Trompeter voran, seinem künftigen Schwäher neben Vermeldung seines Diests und Grußes anzuzeigen, daß ein stattlicher Kavalier auf dem Weg begriffen wäre, ihm zuzusprechen und seinem Frauenzimmer gebührend aufzuwarten, mit einem Wort, eine aus seinen Töchtern zum Gemahl zu begehren, wofern er anders gelitten werden möchte und keine Ungelegenheit machte.

Als er nun die höfliche Antwort bekam, daß er ein lieber Gast sein würde, ist er mit seiner Suite prächtig eingezogen und wohl empfangen, auch zu Bezeugung mehrerer Willfährigkeit oben an die Tafel zwischen die beiden ältesten Töchter gesetzt worden, welche sich auch ihm zu gefallen, weil ihn jede zu bekommen verhofft', trefflich geschmückt hatten. Die Jüngste aber behalf sich unten an der Tafel wie ein Turteltäublein, das seinen Gemahl verlorn, sintemal sie als eine Versprochene keine Hoffnung schöpfen durfte, diesen ansehnlichen Herrn zu bekommen, wessentwegen ihr die Schwestern mit den Augen manchen höhnischen Blick und mit Worten manchen empfindlichen und verächtlichen Stich gaben, welches ihr tief ins Herz geschnitten.

Als nun der Bärnhäuter nach Vorweisung seines vielen Golds das Jawort, und unter den Töchtern von Vater und Mutter die Wahl bekam, zumal noch jede von den ältesten Schwestern ihn zu bekommen festiglich verhoffte, offenbarte er sich der jüngsten durch ein Stück des voneinander geschraubten Rings, davon er ihr hiebevor ein Teil zugestellt. So hoch nun diese hierdurch erfreuet wurd, so sehr erschraken hingegen jene beiden, als sie sich ihrer Hoffnung so jähling beraubt sahen; sie wurden so bestürzt, daß sie nicht mehr wußten, was sie taten, und ihre Eltern wurden so erfreut über der einen Tochter Glück, daß sie der andern beiden Anliegen nicht wahrnahmen, welche zugleich von Schamhaftigkeit und dem Neid gegen ihre Schwester angefochten wurden, also daß sich die eine selbst erhängt', die ander aber in einen Brunnen stürzte.

"Also", sagte der Geist, der dem Bärnhäuter ganz fröhlich erschien, "nun haben wir miteinander ausgefischt; du hast eine und ich zwo von den Töchtern bekommen, die hiebevor ihr Vater manchem ehrlichen Kavalier versagt."

Mein Hochgeehrter und respektive großgünstiger lieber Leser nehme für diesmal hiemit vorlieb und urteile aus dieser Erzählung, was er will. Alsdann werde ich verhoffentlich mit der Erläuterung hernachkommen.

Ende





Stand: 15. Oktober 1999.