Rumpelstilzchen
von den Brüdern Grimm

Ein Vergleich der Fassungen von 1810, 1812 und 1819
zusammengestellt von

D. L. Ashliman

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Handschrift 1807-1810

Erstauflage 1812

Zweitauflage 1819

Es war einmal ein kleines Mädchen,

Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter.

Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter.

dem war ein Flachs knoten gegeben, Flachs daraus zu spinnen, was es aber spann war immer Goldfaden und kein Flachs konnte herauskommen. Es ward sehr traurig und setzte sich auf das Dach und fing an zu spinnen, und spann drei Tage aber immer nichts als Gold.

Und es traf sich, daß er mit dem König zu sprechen kam und ihm sagte: "ich habe eine Tochter, die weiß die Kunst, Stroh in Gold zu verwandeln."

Nun traf es sich, daß er mit dem König zu sprechen kam und zu ihm sagte: "Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen."

 

Da ließ der König die Müllerstochter alsogleich kommen,

Dem König, der das Gold lieb hatte, gefiel die Kunst gar wohl und er befahl, die Müllerstochter sollte alsbald vor ihn gebracht werden.

 

und befahl ihr, eine ganze Kammer voll Stroh in einer Nacht in Gold zu verwandeln, und könne sie es nicht, so müsse sie sterben.

Dann führte er sie in eine Kammer, die ganz voll Stroh war, gab ihr Rad und Haspel, und sprach: "Wenn du diese Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so mußt du sterben."

 

Sie wurde in die Kammer eingesperrt,

Darauf ward die Kammer verschlossen und sie blieb allein darin.

 

saß da und weinte, denn sie wußte um ihr Leben keinen Rat, wie das Stroh zu Gold werden sollte.

Da saß nun die arme Müllerstochter und wußte um ihr Leben keine Rat, denn sie verstand gar nichts davon, wie das Stroh zu Gold zu spinnen war und ihre Angst ward immer größer, daß sie zu weinen anfing.

Da trat ein kleines Mänchen herzu, das sprach: "ich will dir helfen aus all deiner Noth,

Da trat auf einmal ein klein Männlein zu ihr, das sprach: "was gibst du mir, daß ich alles zu Gold mache?"

Da ging auf einmal die Türe auf und trat ein kleines Männchen herein und sprach: "Guten Abend, Jungfer Müllerin, warum weint sie so sehr?" -- "Ach!" antwortete das Mädchen, "ich soll Stroh zu Gold spinnen und verstehe es nicht." Sprach das Männchen: "Was gibst du mir, wenn ich dirs spinne?" --

 

Sie tat ihr Halsband ab und gabs dem Männlein, und es tat, wie es versprochen hatte.

"Mein Halsband", sagte das Mädchen. Das Männchen nahm das Halsband, setzte sich vor das Rädchen und schnurr! schnurr! schnurr! dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf und schnurr! schnurr! schnurr! dreimal gezogen, war auch die zweite voll, und so gings fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen und alle Spulen voll Gold.

 

Am andern Morgen fand der König die ganze Kammer voll Gold; aber sein Herz wurde dadurch nur noch begieriger, und er ließ die Müllerstochter in eine andere, noch größere Kammer voll Stroh tun, das sollte sie auch zu Gold machen.

Als der König kam und nachsah, da erstaunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch begieriger und er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch vie größer war und bafahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre.

 

Und das Männlein kam wieder, sie gab ihm ihren Ring von der Hand, und alles wurde wieder zu Gold.

Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Türe auf und das kleine Männchen kam und sprach: "Was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne? -- "Meinen Ring von der Hand", antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring und fing wieder an zu schnurren mit dem Rade, und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen.

 

Der König aber hieß sie die dritte Nacht wieder in eine dritte Kammer sperren, die war noch größer als die beiden ersten und ganz voll Stroh, "und wenn dir das auch gelingt, sollst du meine Gemahlin werden."

Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick des Goldes, war aber noch nicht satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach: "Die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen, wann dir das gelingt, sollst du meine Gemahlin werden"; denn, dachte er, eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben.

dein junger Prinz wird vorbeikommen der wird dich heirathen und dich wegführen aber du mußt mir versprechen, daß dein erstes Kind mein soll seyn."

Da kam das Männlein und sagte: "ich will es noch einmal tun, aber du mußt mir das erste Kind versprechen, das du mit dem König bekommst."

Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach: "Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?" -- "Ich habe nichts mehr", antwortete das Mädchen. "So versprich mir, wann du Königin wirst, dein erstes Kind."

Das kleine Mädchen versprach ihm alles.

Sie versprach es in der Not,

Wer weiß, wie das noch geht, dachte die Müllerstochter und wußte sich auch in der Not nicht anders zu helfen, so daß sie es dem Männchen versprach und das Männchen spann noch einmal das Stroh zu Gold.

Bald darauf kam ein schöner junger Prinz vorbei, der nahm es mit sich, und machte es zu seiner Gemahlin.

und wie nun der König auch dieses Stroh in Gold verwandelt sah, nahm er die schöne Müllerstochter zu seiner Gemahlin.

Und als am Morgen der König kam und alles fand, wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr und die schöne Mülerstochter ward eine Königin.

Nach einem Jahr gebar sie einen schönen Knaben; da trat das kleine Mänchen an das Bett und verlangte ihn.

Bald darauf kam die Königin ins Wochenbett, da trat das Männlein vor die Königin und forderte das versprochene Kind.

Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Männchen, da trat es in ihre Kammer und forderte was ihm versprochen war.

Sie bot ihm alles dafür, er nahm er [!] nichts an,

Die Königin aber bat, was sie konnte und bot dem Männchen alle Reichtümer an, wenn es ihr ihr Kind lassen wollte, allein alles war vergebens.

Die Königin erschrak und bot dem Männchen alle Reichtümer des Königreiches an, wenn es ihr das Kind lassen wollte, aber das Männchen sprach: "Nein, etwas Lebendes ist mir lieber, als alle Schätze der Welt."

und gab ihr nur 3 Tage Zeit, wenn sie am letzten nicht seinen Namen wiße, so müße sie ihm das Kind geben.

Endlich sagte es: "in drei Tagen komm ich wieder und hole das Kind, wenn du aber dann meinen Namen weißt, so sollst du das Kind behalten!"

Da fing die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß es das Männchen doch dauerte und es sprach: "Drei Tage will ich dir Zeit lassen, wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten."

Die Prinzeßin sann lange, schon zwei Tage hatte sie gesonnen, und den Namen doch nicht gefunden.

Da sann die Königin den ersten und zweiten Tag, was doch das Männchen für einen Namen hätte, konnte sich aber nicht besinnen und ward ganz betrübt.

Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten aus über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen.

 

 

Als am andern Tag das Männchen kam fing sie mit Caspar, Melchior und Balzer an und sagte alle die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein: "So heiß ich nicht."

 

 

Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei allen Leuten und legte dem Männlein alle die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor, als: Rippenbiest, Hammelswade, Schnürbein, aber es blieb wieder dabei: "So heiß ich nicht."

Am dritten befiehlt sie einer getreuen Dienerin hinaus in den Wald zu gehen, aus welchem das kleine Männchen gekommen sey. Diese geht Nachts hinaus, da sieht sie es, wie es auf einem Kochlöfel um ein großes Feuer herum reitet und ausruft:

Am dritten Tag aber kam der König von der Jagd heim und erzählte ihr: ich bin vorgestern auf der Jagd gewesen, und als ich tief in den dunkelen Wald kam, war da ein kleines Haus und vor dem Haus war ein gar zu lächerliches Männchen, das sprang als auf einem Bein davor herum und schrie:

Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück und erzählte: "Neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs and Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus und vor dem Haus brannte ein Feuer und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein und schrie:

"wenn die Prinzeßin wüßte, daß ich Rumpenstünzchen hies! wenn die Prinzeßin wüßte, daß ich Rumpenstünzchen hies."

"heute back ich, morgen brau ich,
übermorgen hohl ich der Frau Königin ihr Kind,
ach wie gut ist, daß niemand weiß,
daß ich Rumpelstilzchen heiß!"

"Heute back ich, morgen brau ich,
übermorgen hohl ich der Frau Königin ihr Kind;
ach, wie gut ist, daß niemand weiß,
daß ich Rumpelstilzchen heiß!"

Die Dienerin bringt eilig der Princeßin diese Nachricht, die darüber sehr erfreut wird. Um Mitternacht kommt das kleine Männchen und spricht: weißt du nun meinen Namen, oder ich nehme das Kind mit. Da nennt sie allerlei Name

Wie die Königin das hörte, ward sie ganz froh, und als das gefährliche Männlein kam, frug es: "Frau Königin, wie heiß ich?" -- "heißest du Conrad?" "Nein." -- "Heißest du Heinrich?" -- "Nein."

Wie die Königin das hörte, war sie ganz froh, und als bald das Männlein kam und sprach: "Nun, Frau Königin, wie heiß ich?" da fragte sie erst: "Heißest du Cunz?" -- "Nein." -- Heißest du Heinz?" -- "Nein."

endlich sagt sie: "solltest du wohl Rumpenstünzchen heißen?"

"Heißt du etwa Rumpelstilzchen?"

"Heißt du etwa Rumpelstilzchen?"

Wie das Männchen das hört erschrickt es und spricht: "das muß dir der Teufel gesagt haben," und fliegt auf dem Kochlöfel zum Fenster hinaus.

"Das hat dir der Teufel gesagt!" schrie das Männchen, lief zornig fort und kam nimmermehr wieder.

"Das hat dir der Teufel gesagt! Das hat dir der Teufel gesagt!" schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, daß es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in einer Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riß sich mitten entzwei.


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27. Dezember 1997